Montag, 16. November 2009

Upstairs and Downstairs

Nachdem wir in den letzten Blogeintraegen sehr viel von unseren Erlebnissen und Eindruecken erzaehlt haben, wollen wir euch heute einmal unsere Organisation ein wenig genauer vorstellen.
Wir leben, arbeiten, schlafen, lachen und essen hier im Office des Karwar Rural Women and Children Development Society (ihr muesst wissen, unser Project director hat einen Hang fuer komplizierte Namen, so heisst das naechste Projekt z.B. Tribal’s Natural & Human Resources Development Project). Diese Organisation hat ihren Sitz in Karwar, einer Kuestenstadt am Nordzipfel des Staates Karnataka (oder auch an der Grenze zu Goa?!).
KRWCDS besteht im Grunde genommen aus zwei unterschiedlichen Projekten – fuer uns nur noch downstairs und upstairs genannt;-) Downstairs befinden sich die Bueros des Child Fund India (CFI), ein Projekt, das die in Europa so bekannten „Patenschaften im Ausland“ vermittelt. Dort trudeln also immer fleissig neue Briefe, kuenstlerische Gemaelde und Basteleien ein, die die „sponsored children“ an ihre Paten schicken. Doch setzt sich CFI nicht nur allein fuer diese Kinder ein, sondern auch fuer die Verbesserung der Lebensverhaeltnisse der Doerfer rund um Karwar, aus denen die Kinder stammen. Die Sozialarbeiter betreuen und organisieren zahlreiche Self Help Groups, Trainings (ueber Themen wie: Worauf muss man bei der Ernaehrung von Kindern achten? Was muss ich waehrend der Schwangerschaft beachten und wie reagiere ich in einem Notfall?), Children’s Clubs und Schulen. Auf sogenannten field visits begleiteten wir so schon oefter die netten Sozialarbeiter und bekommen so einen wirklich guten Einblick in ihre Arbeit und das indische Dorfleben.
Dabei sind wir immer wieder aufs Neue ueberrascht, mit welcher Herzlichkeit und Neugier uns die Inder auf den Doerfern begegnen, uns zu sich nach Hause einladen, uns die Hand schuetteln oder auch einfach nur angucken wollen. Als Weisser hat man hier eine sehr spezielle Position, steht einfach IMMER im Mittelpunkt und wird behandelt als sei man der Oskargewinner, Grammy- und Nobelpreistraeger in Einem.
Einerseits macht es diese dauernde Aufmerksamkeit und Neugierde, die uns entgegengebracht wird fuer uns einfacher mit den Indern in Kontakt zu treten, andererseits kann sie aber auch EXTREM nervig, anstregend und unangebracht sein. Dann z.B. wenn man dazu genoetigt wird, sich bei einer ca. 100m langen Essensschlange ganz vorzudraengeln, um dann vor allen wartenden Indern als Erster Essen zu bekommen...
So passiert am diesjaehrigen Sponsor’s Day, an dem die Sponsored Children in verschiedenen Wettbewerben gegeneinander antreten (sports und cultural competition). Die verschiedenen Disziplinen, wie zum Beispiel „Werfe einen Ball in einen Eimer!“ , „Renne zu einer Flasche, schuette sie aus und renne wieder zurueck“ oder auch „Gib einen Ball weiter bis die Musik stoppt und wenn du ihn noch in den Haenden hast , bist du RAUS!!!“, brachten uns des oefteren zum Schmunzeln.
Schon seit Wochen war dieser Tag in aller Munde und auch wir wurden fast taeglich gefragt, ob wir unseren „german dance“ schon vorbereitet haben. Aber aufgrund von Wasser-, Strom-, und anderen Ausfaellen (z.B. chronische Muedigkeit in den Abendstunden) konnten wir diese Frage erst kurz vorher mit „JA!“ beantworten. Voller Aufregung performten wir zwischen Lichtertaenzen, patriotischen Liedern und tanzenden Nachwuchs-Bollywoodstars unser Tanz auf „Apologize“. Als im Anschluss daran die Kinder im Publikum „Once again!“ riefen und saemtliche Mitarbeiter mit den Worten „Nice dance, too good!“ auf uns zu kamen, waren wir doch sehr positiv ueberrascht und auch beruhigt, dass der westliche und damit ganz andere Tanz den Indern gefiel.

Wir mit dem gesamten CFI-Staff
Doch nun genug von downstairs, jetzt nehmen wir euch mit upstairs. Dort befindet sich das zweite Projekt von KRWCDS, welches von der KKS unterstuetzt wird. Das „Tribal Sustainable Development Project“ beschaeftigt sich mit den Ureinwohnerdoefern in der abgelegenen Bergregion rund um Karwar. Dort leben die Menschen wirklich unter den einfachsten Bedingungen und ein vierstuendiger Marsch zum naechsten Shop ist normal. Die Dorfbewohner sind voellig auf Landwirtschaft und „Non-Timber-Forest-Products“ (Nicht-Holz-Wald-Produkte, man beachte erneut die Laenge des Namens!!!) angewiesen und so traf sie die Ueberschwemmung Anfang Oktober besonders stark. Wie schon erwaehnt arbeiten wie im Moment an einem Bericht ueber die Folgen der Flut, Einzelschicksale der Menschen und ueber moegliche Nothilfemassnahmen. Aufgrund dessen haben wir diese Region in der letzen Zeit oefter besucht und haben dadurch nicht nur einen tiefen Einblick in das Leben der Ureinwohner, sondern auch in die Arbeit des Projektes bekommen.
field visit mit unserem Mentor Ganesh in der tribal area
Und so verabschieden wir uns heute mit den beruehmten Worten von Markus Kavka: Hamma wieder was gelernt!
Vielen Dank fuer die Aufmerksamkeit, Auf Wiedersehen!

Montag, 2. November 2009

Drei Hochzeiten und ein deutscher Ueberfall

Eines froehlichen Morgens kamen wir voellig unwissend und nichts ahnend zu unserer Englischstunde ins Buero und als wir wieder heraus kamen hatten wir schwubb diwubb zwei Hochzeitseinladungen in der Hand.
Mr. Anthony, der Projekt Manager lud uns zu der christlichen Hochzeit seines Sohnes Prakash ein und gleich darauf kam Mr. P.T. Naik, der Education Coordinator auf uns zu und erklaerte uns, wie sehr er sich freuen wuerde, wenn wir die hinduistische Hochzeit seines Sohnes Vinayak besuchen wuerden.
Ab diesem Zeitpunkt waren wir voellig aus den Haeuschen, da wir schon in Deutschland davon trauemten, eine echte indische Hochzeit live miterleben zu duerfen. Doch nach der Vorfeude, ein kleiner Schock: Was sollen wir nur anziehen??? Sofort war klar, die shop-owner in Karwar muessen sich warm anziehen (und das bei der Hitze ; ) !)
Und als wir nach der langen shoppingtour und unsere voll gepackten Taschen leerten, trauten wir unseren Augen kaum. Sind wir nach sieben Wochen in Indien etwa schon dem Kitschwahn der Inder verfallen und zu echten Tussis mutiert? Churidars mit Pailetten und Goldverzierung, dutzende von Glitzer-Bangels (Armreifen), knallroter Nagelack, klirrende Fussketten, schimmernde Ohringe und natuerlich schicke Schuhe fanden sich in allen Ecken unseres Zimmers wieder und verwandelten es in eine echte Glitzerbude.
Die Hochzeiten selbst waren dann mindestens genauso spannend und jede Anstregung im Vorfeld mehr als wert!

Die christliche Trauung war einer deutschen sehr aehnlich, die Feier danach dafuer umso weniger. Als der beschwingliche Moderator mit ueberschlagenden Worten das Brautpaar anpries und diese auf „cherish the love“- Musik unter Reisregen einzogen, dachten wir wirklich, wir befaenden uns in einem amerikanischen Kitschfilm. Wir genossen es zusammen mit allen Mitarbeitern das huebsche Brautpaar zu feiern und freuten uns ueber die zahlreichen Komplimente zu unseren indischen Outfits.
Als die Feier schon nach zwei Stunden zu Ende war, waren wir etwas schockiert die Braut weinen zu sehen. Doch dies scheint bei „arranged marriages“ keine Seltenheit zu sein, da die Braut nach der Hochzeit ihre Familie verlassen muss.

Auch die hinduistische Hochzeit wenige Tage spaeter war fuer uns ein absolutes Highlight. Um alle Rituale miterleben zu koennen, standen wir am Sonntag Morgen schon um 7 Uhr herrausgeputzt zusammen mit Aruldas an der Bushaltestelle. Im zwei Stunden entfernten Kumta trafen wir dann auf die Familie des Braeutigams, mit der wir dann im bunt verzierten „Wedding-bus“ zur eigentlichen Hochzeitszeremonie fuhren. Die Zeremonie bestand aus mehrstuendigen Ritualen, die sowohl von dem Brautpaar, als auch von deren Familien praktiziert wurden. So bestauten wir das Knacken von Kokosnuesse, das Bewerfen mit Reis, zahlreiche Poojas, das Tauschen des Schumucks, Feuerrituale und Segnungen.

In einer kurzen Ritualpause hasteten wir zum naechsten Shop, um uns dort eine blinkende Ganesha-Figur als Geschenk fuer das Brautpaar aufschwatzen zu lassen. Doch anders als bei uns wurden auch die Gaeste beschenkt und so verliessen wir nach einem ausgiebigen und leckeren Essen, mit vollen Taschen und vielen Eindruecken die Hochzeit.

Wir freuen uns sehr, dass wir die Moeglichkeit hatten sowohl eine christlichen, als auch eine hinduistische Hochzeit zu erleben. Nach diesen Hochzeiten wunderte es uns nicht, dass eine Frau ernsthaft dachte, wir waeren hier, um verschiedene Hochzeitszeremonien zu beobachten. Sie bat uns auch direkt die Hochzeit ihrer Tochter zu besuchen, fuer die sie gerade noch einen passenden Mann sucht. That’s India...
Von Hochzeiten konnten wir diese Woche wirklich nicht genug kriegen und so wollen wir euch auch noch von Hochzeit Nummero drei berichten.
Jedes Jahr feiern die Hindus die Hochzeit des Baumes mit dem Zuckerrohr, welche verschiedene Goetter symbolisieren. Zu diesem Anlass kauft jede Familie mehrere Zuckerrohre, die uns schon Tage vorher auf, neben und in jeglichen Fahrzeugen erfreuten.

An dem eigentlichen Hochzeitsabend durften wir der Pooja (Gebet) unseres sehr religioesen Nachbarn beiwohnen und erneut Reis werfen. Anschliessend lud er uns noch auf Suessigkeiten ein, fuer deren Suesse man keine Worte findet.
Als waeren das nicht schon genug Highlights fuer eine Woche, besuchte uns auch noch Frau Maurer von der Karl Kuebel Stiftung. Wir genossen es in vollen Zuegen mal wieder mit jemanden auf deutsch zu sprechen und News incl. Paeckchen aus der Heimat zu bekommen. Durch ihren Besuch bekamen wir auch einen Einblick in die Arbeit der KKS hier im Projekt. Frau Maurer schenkte uns nicht nur ein offenes Ohr fuer unserer kleine aber feinen Anliegen und Probleme hier, sondern setzte sich auch aktiv fuer uns ein. Vielen lieben Dank nochmal fuer diese tolle Unterstuetzung!

Wie ihr seht jagte letzte Woche ein Highlight das andere und so finden wir es wirklich schade, dass diese Tage so schnell vergangen sind.

So starten wir jetzt voll gepackt mit Erlebnissen in unseren dritten Monat hier in Indien, der uns wieder in den mehr oder weniger entwickelten Alltag bringt.