Mittwoch, 17. Februar 2010

Schule auf indisch

TEACHER, TEACHTER, TEACHER!!!!

Dass wir beide nur einige Monate, nachdem wir selbst nicht mehr die Schulbank druecken so angesprochen (bzw. angetroetet) werden, haetten wir ja wahrlich auch nicht gedacht... Doch seitdem wir in der nahe gelegenen Grundschule Englisch unterrichten, ist das fuer uns Alltag geworden.


Theresa beim Unterrichten vor der Klasse

Doch bevor wir uns als Grundschullehrer versuchten, hatten wir in den vergangenen Monaten wir die Moeglichkeit einige Schulen rund um Karwar zu besuchen, um so einen etwas tieferen Einblick in das indische Schulsystem, die Lehr- und Lernweise zu bekommen.
Der Ehrlichkeit zuliebe muss man aber einraeumen, dass das “Anschauen” in manchen Schulen eher schlecht als recht geklappt hat und so wurden wir des oefteren einfach vor eine Klasse gestellt mit dem Auftrag: “Teach the children!” Nach fragenden Blicken, kurzer Verwirrung und Gedanken wie “Wo ist die Tuer?” schuettelten wir uns dann Lieder wie “If you happy and you know it” oder das Spiel Obstsalat aus dem Aermel. Und so entdeckten wir bei diesem Sprung ins kalte Wasser nicht nur den Spass am Unterrichten an einer indischen Schule, sondern lernten auch wie wichtig, ja fast lebensnotwendig Spontanitaet und Improvisationstalent in Indien sein kann.


Die Kids tanzen uns etwas vor

Aber nun zurueck zu Schulen. Nach all den Blogeintraegen, in denen wir ueber dieses doch so andere und verrueckte Land Indien berichtet haben, koennt ihr euch ja wahrscheinlich vorstellen, dass natuerlich auch das Schulleben in Indien voellig anders verlaeuft als in Deutschland.
Der Tag beginnt fuer die Kleinen, meist in blau-weisser Schuluniform gekleideten Kinder um 9.30Uhr mit dem morgentlichen Appell auf dem Schulhof. Dort stellen sich alle in Reih und Glied auf, kleine Ansprachen werden gehalten, Ansagen gemacht und voller Stolz die Nationalhymne getraellert. Das alles wirkt fuer das deutsche Auge ein wenig befremdlich, da sehr militaerisch. Doch betrachtet man dies aus indischer Perspektive ist es ein Zeichen von Diszplin und Vaterlandsliebe, was hier etwas voellig normales, wertvolles und unabdingbares ist.


Schueler beim Morgenappell

Nach dem Morgenappell geht es dann in die Klassen, die meist um einiges groesser sind, als wir es aus Deutschland gewohnt sind. Aber nicht nur die Klassenstaerke ist etwas, an das man sich erst gewoehnen muss. Auch die Art, wie unterrichtet wird ist voellig verschieden zu der uns bekannten. Der Unterricht wird meist sehr frontal gehalten und bei solch grossen Klassen ist es natuerlich auch nicht moeglich Einzelne speziell zu foerdern. Wer am lautesten “Teacher, Teacher” schreit, gewinnt meistens, so haben wir jedenfalls den Eindruck;-)
Ganz besonders befremdlich wirkt fuer uns auch die Lernweise der indischen Schueler. Auswendiglernen bestimmt ihren Lernalltag, da ist nichts mit Abstrahieren, auf andere Beispiele anwenden oder Regeln ableiten. Der Lehrer diktiert die Antworten auf die Fragen zum Text, die Kinder schreiben sie brav ab und sich hinter die Ohren. Voellig abgekapselt vom eigentlichen Text, stellt die Lehrerin in der Klasse dann z.B. die Frage: “In which lines of the poem does the poet speak to the reader?” und eine handvoll Kinder antworten wie aus der Pistole geschossen: “The poet speaks to the reader in line 8, 12 and 17.” Und nur weil die Kinder die Antwort wissen, heisst das leider nicht, dass sie auch verstehen, was sie sagen.
Ein weiterer Aspekt, der uns immer wieder ueberrascht, ist wie stark die Schule das Leben der indischen Kinder bestimmt. Von Montag bis Samstag haben die Kleinen jeden Tag von morgens bis abends Schule, nur der Samstag ist meist halbtags. Und nachdem am Abend die Schulglocke gelaeutet hat, ist fuer die Kinder noch lange nicht Spielen, Rumtollen und Ausruhen angesagt. Hausaufgaben, Projekte und Auswendiglernen wartet dann auf sie. Wir fuehlen uns schon so manchmal als “Lazy fellows”, wenn wir unsere Schulzeit mit der indischen vergleichen!
Seit Januar unterrichten wir nun also taeglich die 7.Klasse an der nahe gelegenen Shirwad School in Englisch und dies bereitet uns immer mehr Freude. Als wir im Dezember gefragt wurden, ob wir nicht Lust haetten an der Schule als Lehrer ein wenig auszuhelfen und so auch einige unserer “fremden” Lernmethoden dort einzufuehren bzw. vorzustellen, fuehlten wir uns erst ein wenig ueberfordert und waren uns nicht sicher, ob wir dieser Rolle gewachsen waren. Schliesslich haben wir keinerlei Ausbildung oder Erfahrungen in diesem Bereich. Aber bekanntlich waechst man ja an den Aufgaben, die man bekommt und gluecklicherweise durften wir das auch so erfahren.
Eine unserer Aengste und auch Schwierigkeiten zu Anfang war sicherlich die Sprachbarriere. Unser Kannada reicht naemlich leider immer noch nicht mal zum Bananen kaufen und das Englisch der Kids koennte man auch als “sehr duerftig” bezeichnen. Doch haben wir und die Kinder zum Glueck sehr schnell gelernt uns mit Haenden und Fuessen zu verstaendigen. Beim Erklaeren von Woertern wie z.B. squirrel (Eichhoernchen) machen wir uns fiepsend und huepfend immer wieder zum Affen.
Seit einigen Wochen versuchen wir nun tagtaeglich den Spagat zwischen der indischen und deutschen Lehr- und Lernweise zu machen. Denn muessen wir die Kinder leider auch die Antworten stumpf auswending lernen lassen – sie brauchen sie ja fuer die Examen – aber wir versuchen zumindest, die Kids selbst die Saetze bilden zu lassen und haben so das Gefuehl, sie verstehen sie auch besser.


Corinna kontrolliert die Hausaufgaben

Im Laufe unserer Zeit hier in Indien und auch dank unserer Erfahrungen in den Schulen, wird uns immer mehr bewusst, wie unheimlich wichtig eine gute Schulbildung ist. Schon an der Art, wie sich die Kinder verhalten, merkt man oft, was fuer eine Schule (privat oder staatlich) sie besuchen und natuerlich wird auch die Zukunft, die spaeteren Berufschancen, ja eigentlich das gesamte Leben sehr stark von ihr beeinflusst bzw. bestimmt.
Und so klar wie jetzt war uns noch nie, wie dankbar wir fuer unsere gute Schulbildung sein koennen und auch sollten…

Donnerstag, 11. Februar 2010

Ein kleines Stueckchen Heimat



Voller Aufregung standen wir am 26.Januar um 5 Uhr fruehs am Flughafen in Goa und hielten zitternd vor Kaelte und Nervositaet unser in den indischen Nationalfarben gestaltetes und mit Faehnchen behaengtes Plakat “Welcome to India” in den Haenden. Eine Horde indischer Taxifahrer, Reiseveranstalter und Hotelangestellte wartete mit uns auf die Maschine aus Frankfurt und so mussten wir uns ganz schoen stricken und recken, um durch das Meer an “Willkommen Waltraud” und “Welcome Heinrich”- Schilder einen Blick in die Ankunftshalle zu erhaschen. Doch ploetzlich waren wir nicht mehr nur Teil des Meeres, sondern zogen quietschend, huepfend und winkend die perplexen Blicke auf uns: Nach 5 ½ Monaten sahen wir das erste Mal wieder einen Teil unserer Familie und schwups lagen sich auch schon Theresa und ihr Freund Philipp und Corinna und ihre Mama Beate in den Armen. Das Wiedersehen war unheimlich ausgelassen und wir fuehlten uns fast wie in einem Bollywoodfilm, als wir aufeinander zurannten. Nur die theatralische Hintergrundmusik fehlte…
Diese waren die ersten Minunten des zweiwoechigen Besuches von Beate und Philipp hier bei uns in Indien, auf den wir so lange gewartet haben.
Den ersten Tag ihres Besuches gab es unheimlich viel zu erzaehlen, zu lachen, berichten und auszutauschen. Nach 5 ½ Monaten hat man sich schon so einiges zu erzaehlen!
Das erste Highlight fuer uns war dann am darauffolgenden Tag der erste Besuch im Office, bei dem wir unsere Lieben allen Mitarbeitern, Freunden und adoptierten Verwandten vorstellten. Dabei waren nicht nur wir und unser Besuch aufgeregt und angespannt, sondern mindestens genauso stark unsere indischen Freunde. Doch waren die zwei ohne wenn und aber sofort in die KRWCDS-Family als Aunty und Theresa’s husband integriert und wurden fuer direkt fuer den letzten Abend von Denny zum Essen eingeladen.


Auch unser Projektleiter hiess die beiden nach dem Motto “Your guests are our guests” herzlich willkommen, nachdem er sich koestlich darueber amuesiert hatte, dass wir die beiden schon darauf trainiert hatten, ihn - wie hier in Indien ueblich - nicht beim Namen sondern “Sir” zu nennen. Nachdem Mitbringsel aus Deutschland ausgepackt wurden, gab er uns eine kleine aber feine Einfuehrung in die Wunderwelt Indien, von der man ihm zufolge “immer weniger versteht, je mehr man sieht”.
Trotzdem haben wir unser Bestes gegeben, Beate und Philipp in den darauffolgenden Tagen beides naeher zu bringen, das Verstehen und das Sehen. Dabei ist uns bewusst geworden, wie vertraut uns alles mittlerweile schon ist, wie stark wie uns hier eingelebt haben und wir heimisch wir uns schon fuehlen. Es sind so die kleinen Dinge, wie das verwirrende Kopfwackeln, der chaotische Verkehr oder die indische Art zu reden, die fuer uns schon so alltaeglich sind, jedoch fuer die Beiden etwas voellig Neues. Und so entdeckten wir Indien hier dank ihnen noch einmal ein wenig neu, staunten wieder ueber Poojas am Strassenrand, Kuehe auf der Strasse, die farbenpraechtigen Saris der indischen Frauen, die herzliche Gastfreundschaft und die Sonderrolle von Weissen hier in Indien.
Doch gleichzeitig wuehlte uns unser Besuch emotional auch ganz schoen auf…Die alte Heimat in der neuen Heimat zu haben, das alte Leben mit dem neuen zu mischen und dabei in keiner Welt vollstaendig zu stecken. Dabei kamen – so komisch es auch klingen mag – ganz schoen Heimwehgefuehle auf, da man ja nur einen kleinen Teil seiner Familie um sich hatte und dadurch umso mehr an die Daheimgebliebenen und die Heimat erinnert wurde.
Zum Glueck blieb aber zum Sehnsucht haben nicht allzu viel Zeit, da wir unsere Tage in Karwar gut durchgeplant hatten. Wir versuchten unsere gewohnte Arbeit so weit es ging fortzusetzen und unserem Besuch dabei unseren indischen “Alltag” naeher zu bringen. So nahmen wir z.B. mit zum Englischunterricht ins Asha Kiran Hostel und fuehrten mit ihrer Hilfe dort samstags einen “Competition day” mit deutschen Kindergeburtstagsspielen wie Sackhuepfen, Topfschlagen und Wettessen durch.



Wir bekamen auch die Moeglichkeit mit ihnen zusammen das Projektgebiet der KKS, die sogenannte “tribal area”, zu besuchen und somit einen Einblick in Entwicklungszusammenarbeit vor Ort zu bekommen.


Am letzten Abend in Karwar wurden die Beiden dann auch noch in das liebenswuerdige, herzliche und bunte indische Familienleben eingefuehrt. Denny, einer der Mitarbeiter, lud uns alle zum Abendessen ein und ueberraschte und dort mit der gesamten Karwar-Grossfamilie und einem gigantischen Dinner. Dies und auch Denniz Satz, dass er ab jetzt Geld spare fuer einen Flug nach Deutschland, machte es fuer uns doppelt schwer am naechsten Tag aus Karwar aufzubrechen und uns auf eine kleine Rundreise zu begeben.


Diese mehrtaegige Tour war fuer uns alle etwas voellig neues, da wir nicht nur einen neuen Teil Indiens kennenlernten, sondern auch das erste Mal seit 5 ½ Monaten mehr als eine Stunde getrennt waren.
Wir beide haben es aber sehr genossen einmal voellig rauszukommen aus dem Leben in Karwar, einfach mal Touri in Indien sein, mehr Freiheiten zu haben, nichts abklaeren zu muessen und einfach mal die Seele baumeln zu lassen. Wir haben die Tage ein komplett anderes Leben gefuehrt, sind aber nun auch wieder froh zusammen zurueck in Karwar zu sein.
Und zum Glueck sehen wir unsere Lieben ja in 11 Wochen schon wieder und dieser Gedanke machte den Abschied dann ein wenig ertraeglicher… Und wie sagt man auch so schoen, man soll ja aufhoeren, wenn es am schoensten ist!!!