Montag, 28. Dezember 2009

Place?!

“Where are you from“ oder schlichtweg „Place?“, so lautet meist die erste Frage, die man egal ob in der Riksha, beim Einkaufen, Fahrradfahren oder bei den Field visits gestellt bekommt. Wenn man dann antwortet, man komme aus Deutschland, erlebt man die unterschiedlichsten Reaktionen. Viele kennen dieses Land gar nicht, andere sind fasziniert und stottern nur noch ein lautes „Wow“. Nachdem die anfaengliche Schuechternheit dann ueberwunden ist, prasseln meist Unmengen an Fragen auf uns nieder, wobei man ehrlich zugeben muss, dass Diskretion oder Privatsphaere fuer Inder eher ein Fremdwort ist. Fragen, wie viel wohl unsere Eltern verdienen, was sie arbeiten, welche Religion wir haben, ob wir Indien und das Essen hier moegen, warum wir so weisse Haut haben und was diese komischen roten Flecken (= Pickel) auf unserer Haut bedeuten sind an der Tagesordnung.
Die Menschen begegnen uns hier mit einem unglaublichem Interesse und einer Neugier, die es uns leicht macht mit ihnen in ein Gespraech zu kommen (ob mit Haenden und Fuessen, einigen Brocken Hindi, Kannada oder Malayalam und wenn wir grosses Glueck haben auch mit Englisch).
Unser Aussehen als westliche Frauen sorgt auch immer wieder fuer Unterhaltung und so wurde ich von Kindern z.B. schon lauthals wegen meiner weissen Haare ausgelacht, die doch hier in Indien nur alte Omas haben.
Immer wieder jedoch, sind wir auch geschockt von dem Bild, dass Inder hier von Westlern (= foreigners) haben. Viele der Menschen glauben, dass wir aus dem Westen alle die Taschen voller Geld haben und dieses auch gut und gerne um uns schmeissen. So wurde ich, als ich ein Bild von der Wuerzburger Residenz zeigte, doch tatsaechlich gefraft, ob ich in diesem Schloss wohne.
Dieses Image wird wohl vor allem durch die zahlreichen Bollywoodfilme vermittelt, in denen fast immer nur Weisse (und niemals Inder!!) halbnackt tanzen, rauchen oder trinken . Woher sollen Inder dann auch ein anderes Bild von Westlern haben? Man koennte jetzt vielleicht meinen, dass einem die Inder und Inderinnen deshalb abwertend begegnen, was aber definitiv nicht der Fall ist.
Ganz im Gegenteil sehen viele der Menschen hier Deutschland fast als eine Art Paradies an; als eine Moeglichkeit dem teilweise sehr harten Leben in Indien zu entkommen. So wurden wir von Fatima, der guten Seele des Bueros und gleichzeitig auch unsere Ersatzmama, ernsthaft gefragt, ob wir nicht ihre aelteste Tochter Lubna mit nach Deutschland nehmen koennen. Bei solchen Erlebnissen wird einem immer wieder sehr klar, wie gluecklich wir uns doch schaetzen koennen und auch sollten, in einem Land wie Deutschland leben zu duerfen, in dem jeder genug zu essen, eine gute Bildung und Chancen auf ein guten Job hat.
Aufgrund des grossen Unwissens der Menschen hier ueber Deutschland, sehen wir es auch als unsere Aufgabe die Menschen ueber unser Leben, unsere Kultur und Mentatliaet in Deutschland aufzuklaeren und so einen „cultural exchange“ zu betreiben. Unser Projektleiter hat es dahingehend gut auf den Punkt gebracht, als er meinte, dass es ungeheuer wichtig sei, dass die verschiedenen Kulturen in Zeiten einer immer mehr zusammenwachsenden Welt offen fuereinander sind und voneinander lernen.
Deshalb haben wir auch Anfang des Monats eine Praesentation ueber unser Heimatland gehalten, in der wir die gesamten Mitarbeiter auf eine zweistuendige virtuelle Reise nach Deutschland mitgenommen haben. Dabei haben wir ihnen einige Brocken Deutsch beigebracht, sie bei einem virtuellen Museumsbesuch ueber die Geschichte Deutschlands informiert, sie auf eine Sightseeingtour durch Deutschland mitgenommen, ihnen das deutsche Essen anhand von deutschen Plaetzchen (Dank an dieser Stelle an Corinnas Mama!) naehergebracht und die fuer uns wichtigsten kulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und Indien aufgezeigt. Natuerlich blieb auch Zeit fuer Fragen, wobei uns unsere Mitarbeiter durch Fragen ueber die Kirchensteuer, unsere saekulare Ordnung und die Bedeutung unserer Nationalflagge ganz schoen auf Trapp hielten.
Alles in allem genossen wir es aber durch und durch, dass wir nach drei Monaten, in denen wir so unglaublich viel ueber ihr Land, ihre Kultur und Lebensweise lernen durften, auch einmal etwas zurueckzugeben und den Mitarbeitern zeigen zu koennen, aus welchem Hintergrund und Kulturkreis wir stammen und gepragt sind.

2 Kommentare:

  1. Suuper,
    dass ihr nun diese Thema aufgegriffen habt. Der Begriff "reich" ist ja ganz schön relativ.
    Dank an Susairaj, dass er so einen Vortrag für die Mitarbeiter ermöglicht hat.

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  2. Hallo Corinna und Theresa,
    zwei so schöne Berichte zum Jahreswechsel, das hat mir große Freude gemacht. Man hört die Liebe heraus, die ihr für die Kinder habt. Heute hab ich auch euren Report zur Überschwemmung in den Dörfern endlich gelesen. Suuuuuuuuper professionel.
    Ich denke an euch. Ihr habt es wirklich nicht leicht, aber ihr macht das toll!

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